Wisteria

Wisteria sinensis, Wisteria floribunda und weitere Wisteria-Arten

(Wisterie, Blauregen, Glycine, Glyzinie, mitunter auch „Wistarie“)

Die in Mitteleuropa marktgängigen Wisterien (Blauregen-Arten, Glyzinien – auch Glycinen) sind extrem starkwüchsige und sehr dekorative Schlingpflanzen. Sie zeichnen sich darüber hinaus durch Robustheit und Größe aus. Insbesondere Wisteria sinensis erreicht Dimensionen, die leider häufiger zu erheblichem Pflegeaufwand von damit realisierten Fassadenbegrünungen führen. Ein 1892 in Kalifornien gepflanzter chinesischer Blauregen gilt als größte blühende Pflanze der Welt. Die Trieblänge dieser Wisterie wurde vor einigen Jahren mit 150 Meter Länge angegeben, das Pflanzengewicht mit ca. 230 Tonnen und die Ausbreitung mit 0,4 Hektar. Angeblich trägt er während einer 5 Wochen dauernden Blütezeit 1,5 Millionen Blüten.

Wisteria sinensis (Blauregen, Glycine) an Fassade (links), Pergola (hinten) und horizontalem Spannstab (vorne)

Wisteria sinensis (Blauregen, Glycine) an Fassade (links), Pergola (hinten) und horizontalem Spannstab (vorne)

Die Wisteria-Arten und Sorten sind vor allem aufgrund ihrer in großer Zahl an Trauben gebildeter Blüten sehr beliebt. Leider dominiert Wisteria sinensis – die wuchsstärkste Art – das Angebot der Baumschulen und Gartencenter, so dass es in Verbindung mit Wisteria und Fassadenbegrünung häufig zu dem Phänomen der „Überpflanzung mit einem einzigen Exemplar“ kommt. Vielfach entspricht die Größe verfügbarer Flächem eben nicht der extremen Ausbreitungstendenz von Wisteria sinensis. ( Ein Foto hierzu sehen sie z.B. eingangs der Polygrün-Diashow). Natürlich muss man bei Pflanzung eines Blauregens – auch der wuchsstärksten Art – im westeuropäischen Klima nicht von solch außergewöhnlichen Dimensionen wie eingangs beschrieben ausgehen, aber auch hierzulande sind „unglaubliche“ Entwicklungen nicht ausgeschlossen. Die folgenden beiden Bilder (links und rechts) hat mir Roland Jacob aus Augsburg zur Verfügung gestellt. (Der pflanzt nicht nur Kletterpflanzen, sondern begeistert sich auch für das Leben unter Wasser; siehe Aquaristik – Acquario di Genova.)

Pflanzstelle der sehr wuchsstarken Wisteria

Pflanzstelle der sehr wuchsstarken Wisteria

Wurzelhals einer 2001 gepflanzten Wisteria. (Foto: Augsburg, 09.2007)

Wurzelhals einer 2001 gepflanzten Wisteria. (Foto: Augsburg, 09.2007)

Dieser Blauregen wurde 2001 gepflanzt und hatte bereits 2006 das Dach des dreistöckigen Hauses erobert. Während dieser Höhenwuchs nicht ungewöhnlich ist, überrascht sein ungewöhnlich ausgeprägter Dickenwuchs. Hier beträgt der Durchmesser des Stammes (Haupttriebes) am Wurzelhals ca. 38 cm und in etwa 4 m Höhe ca. 10 cm.
Dabei ist dieser Blauregen (evtl. ein Sämling) noch so jung, dass er bisher noch nie geblüht hat. Mehrjährige Wartezeit auf die erste Blüte ist (auch) bei Blauregen-Arten (Glyzinien) nicht ungewöhnlich. Wann sich die erste Blüte zeigt hängt u.a. von der Art der Vermehrung und Durchführung einer Veredelung, aber auch von Standortbedingungen und Schnitt ab. Auch geringes Wachstum im ersten (ggf auch zweiten) Standjahr nach Pflanzung sind nicht ungewöhnlich. Je nach Art und Sorte blühen Wisterien weiß, rosa, blauviolett oder lila, bzw. in entsprechenden Zwischentönen. Insgesamt gibt es neun Arten Wisteria. Sie stammen aus Ostasien und Nordamerika. Die (für Mitteleuropa) wichtigsten Arten sind:

Fassadenbegrünung mit Blauregen vor Wildem Wein. Alter Bestand an 5-mm-Drähten.

Fassadenbegrünung mit Blauregen vor Wildem Wein. Alter Bestand an 5-mm-Drähten.

  • Wisteria floribunda, Einfuhr in Europa um 1830 aus Japan, erreicht um 10 m Wuchshöhe und windet im Uhrzeigersinn (rechtswindend). Es gibt verschiedene dieser Blauregen-Sorten und Hybriden, z.B. ‚Issai‘. Diese Sorte zählt zu den wenigen Kletterpflanzen, deren Winderichtung nicht genetisch festgelegt ist. Ob ein Exemplar links- oder rechtswindend klettert entscheidet sich in einer frühen Wachstumsphase.Allgemein gelten die Wisteria-floribunda-Sorten bereits als großblumiger als Wisteria-sinensis-Sorten, aber die Sorte ‚Macrobotrys‘ zeichnet sich durch besonders große Blütentrauben – Längen um 80 cm (bis 1 m ) – aus.
  • Wisteria frutescens, Einfuhr in Europa um 1730 aus Nordamerika, erreicht bis 10 m Wuchshöhe und windet ebenfalls im Uhrzeigersinn. Diese Art bildet gefüllte Blüten erst zwischen Juli und August am jungen Holz.

Die in Deutschland leider seltener angebotene Wisteria frutescens verdient auch wegen des vergleichsweise schwachen Wuchses mehr Interesse. Zwar ist auch dieser Blauregen sehr pflegebedürftig (Schnittmaßnahmen), aber gegenüber Wisteria sinensis weist er eine geringere Wuchshöhe und deutlich schlankere Triebe auf. Schwierigkeiten, die sich bei der Verwendung von Glyzinien an Kletterhilfen aus Masse und Dickenwuchs ergeben, treten bei dieser Art weniger stark auf.

Wisteria floribunda - rechtswindend (im Uhrzeigersinn)

Wisteria floribunda – rechtswindend (im Uhrzeigersinn)

  • Wisteria sinensis wurde etwa 1815 aus China eingeführt. Diese Blauregen-Art kennzeichnet sich vor allem durch die bereits angesprochene hohe Wuchsleistungen (bis etwa 30 m Wuchshöhe) und große Triebstärke. Nach einigen Jahrzehnten sind am Wurzelhals Durchmesser größer als 50 cm nicht ungewöhnlich. Diese Wisteria sinensis schlingt gegen den Uhrzeigersinn (linkswindend).

Es ist üblich, Wisterien (Blauregen) bevorzugt in der Pracht ihrer Blüte darzustellen. Bei vielen Neupflanzungen warten die Initiatoren jedoch jahrelang auf das Highlight einer eindrucksvollen Blauregenblüte wie sie Kataloge versprechen. I.d.R. ist dies vor allem eine Frage des Vermehrung – insbesondere aus Samen gezogene Wisterien brauchen mehrere Jahre bis zur 1. Blüte. Wesentlich eher blühen veredelte Blauregen und solche, die aus Absenkern blühfreudiger Exemplare gewonnen werden. Natürlich spielen auch Standortaspekte, Führung und sachgerechter Schnitt eine Rolle.

Mäßige Blüte bei Blauregen auf- grund Halbschatten und fehlendem / mehrfach unterlassenem Schnitt. Angelegt etwa 1995, Foto 2007. "Polygrün-Kletterleiter" aus gespannten GFK-Stäben (Polystal®) Nicht mehr Stand der Technik!

Mäßige Blüte bei Blauregen auf- grund Halbschatten und fehlendem / mehrfach unterlassenem Schnitt. Angelegt etwa 1995, Foto 2007. „Polygrün-Kletterleiter“ aus gespannten GFK-Stäben (Polystal®) Nicht mehr Stand der Technik!

Blauregen hat hohe Lichtansprüche und liebt Wärme. Je nach Klima können sich bereits schattigere Standorte – auch Teilverschattungen – negativ auf die Blühfreudigkeit der ganzen Pflanze oder ihrer verschatteten Teile auswirken. Aber auch solche standortbedingte „Blühfaulheit“ gibt sich mitunter bei älteren Blauregen-Exemplaren. Erfahrungsgemäß blüht Blauregen um so eingrucksvoller, je höher der Anteil horizontal geleiteter Triebe ist. Zur Optimierung der Blütenmenge ist es obendrein zweckmäßig, großes Höhenwachstum zu unterbinden. Eine optimale Hauptblüte von Wisteria sinensis ist in Deutschland wohl nur bei Wuchshöhen bis etwa 15 m zu erwarten, Wisteria floribunda sollte auf Höhen unter 10 m begrenzt werden. Neben mindestens einer senkrechten Aufleitung sollten Möglichkeiten zur horizontalen Leitung bestehen, die für Wisteria sinensis durchaus jeweils (links und rechts) 10 m lang sein können. Rein vertikale Aufleitungen lassen nur dann eine optimale Blüte von Wisterien erwarten, wenn man einen weiten Überhang (d.h. höhere Windlasten, ggf. Pendelbewegungen) tolerieren kann. Prinzipiell ist es günstiger, mindestens zwei Haupttriebe getrennt aufzuleiten. U.a. erleichtert dies später eventuell notwendige Verjüngungsmaßnahmen. Das Auftreten einer Sommerblüte, wird weniger durch Schnitt und Pflege als durch die Standortbedingungen und das Wetter beeinflusst. Pflege in Form von Schnittmaßnahmen ist jedoch an den besonders wüchsigen Wisteria-Arten meist unverzichtbar und sollte sowohl im Sommer als auch im Winter durchgeführt werden.

Sommer-, bzw. Nachblüte von Wisteria sinensis Foto: Manosque (F) 2007

Sommer-, bzw. Nachblüte von Wisteria sinensis Foto: Manosque (F) 2007

Knospen nach richtigem Schnitt

Knospen nach richtigem Schnitt

Im Sommer (bis Frühherbst) werden Jungtriebe (ggf. mehrfach) drastisch gekürzt (5 – 7 Augen, bzw. max. 50 cm). Vom Sommerschnitt verschont bleiben Jungtriebe aus dem Stamm oder möglichst Wurzelhals, die zur Verjüngung eines älteren Blauregen-Exemplars benötigt werden. Im Winter (spätestens Mitte März) erfolgt eine nochmalige Kürzung der Jungtriebe auf drei bis maximal fünf Augen und ggf. eine Entfernung älterer Triebe. Im Zuge des Winterschnittes sind auch solche Schnittmaßnahmen durchzuführen, die mitunter aus statischen Gründen (vgl. u.a. Forschungsbedarf) oder zur Gesunderhaltung (auch Aspekt „Selbsterdrosselung“) am alten Holz erforderlich werden.

Hauptblüte von Wisteria sinensis Blauregen, Glycine

Hauptblüte von Wisteria sinensis Blauregen, Glycine

Der maximale Triebdurchmesser am Wurzelhals einer (angeblich) ausgewachsenen Wisteria sinensis liegt hierzulande laut Literaturangaben im Allgemeinen zwischen 40 cm und 55 cm, bei W. floribunda bei bis zu 25 cm. Daher ist mit einem wahrscheinlichen Sommergewicht (durchnässt) um 34 kN und mehr zu rechnen! Für Wisteria sinensis ermittelte ALTHAUS an etwa 70 Jahre alten Pflanzen ein Gewicht oberirdischer Teile um 3,20 kN bei nassem Laub. Ihr Holzgewicht belief sich auf rund 2,5 kN, das Laubgewicht trocken auf ca. 0,36 kN. Diese Pflanzen überdeckten je ca. 24 m². Meine Berechnungsmethode (vgl. Hinweise zur Dimensionierung von Kletterhilfen) weist für eine solche Situation dagegen 7,02 kN sommerliches Maximalgewicht aus. Die erhebliche Differenz kann sich alleine aus der tatsächlichen Triebstärke der beiden von C. Althaus gewogenen Pflanzen herleiten. (Leider ist mir diese nicht bekannt.) Bei potenziell 30 m Wuchshöhe und 50 cm Triebdurchmesser am Wurzelhals (inzwischen hat eine 1963 in Südhessen gepflanzte Wisteria sinensis > 55 cm erreicht) ermittle ich ein theoretisches Holzgewicht bis ca. 8,15 kN. Da meine Berechnung Maximalgewichte ermitteln soll, bringe ich prinzipiell die wahrscheinlichen potenziellen Maße in Ansatz. Nach meiner Berechnung ergibt sich für die von C.Althaus untersuchten Blauregen-Exemplare ein potenzielles Holzgewicht um 3,25 kN. Ebenfalls erheblich schwerer beziffere ich das potenzielle Maximalgewicht des durchnässten Laubes, da ich einen erheblichen Überstand berücksichtige. Dieser ist bei Vernächlässigung der Rückschnitte wahrscheinlich. Die Gewichtsschätzung für die eingangs erwähnte weltgrößte Wisteria lässt allerdings meine (mitunter als „maßlos übertrieben“ abgelehnten) voraussichtlichen Gewichtsangaben eher zurückhaltend erscheinen. Es ist nicht Funktion meiner Gewichtsermittlung, reale Situationen zu bewerten, sondern fiktive Maximalentwicklungen abzuschätzen. Die Differenz zu realen Messungen erklärt sich also daraus, dass; die gewogenen Exemplare eben nicht z.B. 50 cm dick waren und nicht die anzunehmende maximal große Oberfläche (Ausdehnung) entwickelt hatten. Dies kann aber für neu anzulegende Begrünungen solange nicht ausgeschlossen werden, wie ein Triebdurchmesser von 50 cm und mehr allgemein als möglich angesehen werden muss. Es verbietet sich sogar, wenn auch nur ein Exemplar nachweislich schon nach 43 Jahren dicker ist. Wie relevant die Wüchsigkeit für das Gewicht ist, zeigt sich an den deutlich geringeren Lastannahmen für Wisteria floribunda. Mit unserer Online-Gewichtsermittlung könnnen sie selbst maximale Pflanzengewichte abschätzen und sich über weitere statische Aspekte informieren. Trotz des bei allen Wisteria-Arten relativ großen Triebdurchmessers ist es m.E. nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu verantworten, dem „Stamm“ generell eine tragende Funktion zuzuschreiben, aufgrund derer Kletterhilfen entlastet werden könnten. Das Holz vieler Kletterpflanzen (Lianen) – also auch der Blauregen.Arten – unterscheidet sich strukturell deutlich vom demjenigen „selbsttragender“ Gehölze mit konzentrischer Struktur. Es ist zugfest, aber nicht druckfest und die Verstärkungen sind so angeordnet, dass sie unter Biege- oder Torsionsbeanspruchung große Verformungen zulassen, ohne zu brechen. Die so eher seilartige Holzstruktur von Lianen verdeutlichen z.B. Fotos und Abbildungen einiger Stammquerschnittevon Dr. Joachim Henkel (MVM e.v.). Kürzlich musste ich abgestorbene Teile einer etwa 25 Jahre alten Wisterie enfernen. Einige Schnitte habe ich geschliffen und zwecks besserer Kontraste lackiert. Die folgenden Bilder zeigen prinzipielle Ähnlichkeiten von älterem Wisterienholz zu den oben verlinkten Schnitten jüngerer Kletterpflanzen. Farbunterschiede des Holzes erklären sich aus der Holzdicke – die sehr viel dünnere Scheibe links war zum Zeitpunkt der Aufnahme schon weitgehend getrocknet – der „Ast“ (großes Bild rechts) noch feuchter.

Aufgeschnittener Knick (Windung) eines Stammes/Astes von Wisteria-sinensis Die abgewinkelten Schnitte zeigen das Holz längs (oben) und quer zur Faser (unten). Im Faserquerschnitt dieses Blauregen-Holzes ist ein dünnerer Trieb zu erkennen, der trotz Umwindung durch den äußeren (dickeren) nicht fest mit diesem verwachsen ist. Auf halber Höhe des Bildes ist der Abdruck des Rundprofiles (D = 18 mm) erkennbar, um das sich die beiden Triebe geschlungen hatten. Die Bilder (oben und unten) entstanden auf Pflaster im Format 10 x 20 cm.

Aufgeschnittener Knick (Windung) eines Stammes/Astes von Wisteria-sinensis Die abgewinkelten Schnitte zeigen das Holz längs (oben) und quer zur Faser (unten). Im Faserquerschnitt dieses Blauregen-Holzes ist ein dünnerer Trieb zu erkennen, der trotz Umwindung durch den äußeren (dickeren) nicht fest mit diesem verwachsen ist. Auf halber Höhe des Bildes ist der Abdruck des Rundprofiles (D = 18 mm) erkennbar, um das sich die beiden Triebe geschlungen hatten. Die Bilder (oben und unten) entstanden auf Pflaster im Format 10 x 20 cm.

Detail Astquerschnitt innen

Detail Astquerschnitt innen

Detail Astquerschnitt außen

Detail Astquerschnitt außen


Mit dieser Holzstuktur lässt sich bestenfalls dann eine beachtenswerte Stützwirkung des Stammes erreichen, wenn dieser sehr dick und gerade gewachsen ist. Die Wahrscheinlichkeit insbesondere für „schnurgerades“ Stammwachstum ist speziell bei Schlingpflanzen außerordentlich gering. Viel häufiger sind Stämme anzutreffen, die aus mehreren verdrillten Trieben (Ästen) bestehen – teilweise im Kern auch abgestorbenen, bzw. „erdrosselten“. Das Totholz von Blauregen ist extrem brüchig und weist keinerlei nennenswerte Festigkeiten auf. Da zwischen parallelen Trieben keine beachtenswert belastbare Verbindung erfolgt, darf für „baumstatische“ Betrachtungen nur die Summe der Tragfähigkeit eines Triebbündels betrachtet werden – die Dimensionen des gesamten Bündels bleiben annähernd belanglos. So erklärt sich auch, dass „auf Stamm“ freistehend kultivierte Wisterien trotz geringer Höhe und Ausbreitung sehr lange Zeit gestützt werden müssen, ehe eine unnatürlich kleine Krone getragen werden kann. Pauschale Abminderung des Pflanzengewichtes von Wisterien aufgrund einer im Voraus unterstellten „Selbsttragfähigkeit“ sehe ich daher auch für die triebstarken Blauregen-Arten (chinesischer Blauregen) als unzulässig an. Diese Einschätzung bestätigt sich auch durch Langzeitbetrachtungen. (Siehe Bilder am Seitenende.) Viel eher sollte man davon ausgehen, dass der Dickenwuchs des Stammes, bzw. der Haupttriebe nicht nur unter Zwängung unkalkulkierbare Kräfte in alle möglichen Richtungen entwickelt, die ggf. sogar erhebliche zusätzliche Vertikalbelastungen von Kletterhilfen, bzw. Klettergerüsten oder Teilen des Bauwerkes bewirken. In Abhängigkeit von der Triebstärke (Dicke) unterstelle ich prinzipielle Übertragbarkeit dieser Betrachtungen auf die Statik aller schlingenden Kletterpflanzen.

Junge Wisteria (gepflanzt 2005) an geeigneter Polygrün-Kletterhilfe aus GFK mit Wandabstand 160 mm vor WDVS (Amtsgericht Rheinbach, 2007)

Junge Wisteria (gepflanzt 2005) an geeigneter Polygrün-Kletterhilfe aus GFK mit Wandabstand 160 mm vor WDVS (Amtsgericht Rheinbach, 2007)

Als Kletterhilfen für alle Wisteria-Arten eignen sich vertikal orientierte Strukturen mit horizontalem Abstand ab ca. 35 cm. Horizonale Verbindungen zwischen Vertikalprofilen, tragen zur besseren Umverteilung späterer Lasten bei, begünstigen aber den Bewuchs durch Wisteria höchstens an extrem windigen Standorten. Wie bedeutsam jedoch eine angemessene Profilform und -dicke für den Bewuchs ist, belegt das folgende Bild einer Begrünungsmaßnahme mit Kletterhilfen aus Stahl. Seit rund 10 Jahren kämpfen die Pflanzen um Halt und Höhenwuchs an den Vierkantrohren 80 mm x 80 mm. Schlingpflanzen können nur an schlanken Rundprofilen störungsfrei winden. Sogar für Wisteria sinensis wird ein Maximaldurchmesser von 50 mm empfohlen ­- für andere Arten ist dieser großteils deutlich kleiner. Jedes eckige Profil verlangt einem schlingenden Bewuchs extrem variierende Anpassungsradien ab. Je unterschiedlicher diese sein müss(t)en, desto weniger wird ein Profil bewachsen. Insbesondere wenn ein Standort so windexponiert wie der abgebildete ist, sollte ein schlankeres Rundprofil gewählt werden, an dem fast jede Schlingpflanze unmittelbar verlässlichen Halt findet.

Fassadenbegrünung mit Wisteria sinensis (Blauregen). Vierkant-Stahlprofile erweisen sich als Kletterhilfen, die kaum Halt bieten. Obwohl die massiven Stützen in großem Wandabstand montiert sind, besteht die Gefahr, dass das Triebgewirr zwischen Stütze und Wand Druck auf die Fassade (WDVS) ausübt und Risse in der Wetterschutzschicht verursacht. (Foto: Mechernich, 2006)

Fassadenbegrünung mit Wisteria sinensis (Blauregen). Vierkant-Stahlprofile erweisen sich als Kletterhilfen, die kaum Halt bieten. Obwohl die massiven Stützen in großem Wandabstand montiert sind, besteht die Gefahr, dass das Triebgewirr zwischen Stütze und Wand Druck auf die Fassade (WDVS) ausübt und Risse in der Wetterschutzschicht verursacht. (Foto: Mechernich, 2006)

Zum Vergleich: Ein etwa gleich altes Exemplar der gleichen Art an einer geeigneten Kletterhilfe aus schlanken GFK-Rundprofilen. (vgl.: "Polygrün-Klettermatte") Foto: Gera, 2007 von Sven Taraba

Zum Vergleich: Ein etwa gleich altes Exemplar der gleichen Art an einer geeigneten Kletterhilfe aus schlanken GFK-Rundprofilen. (vgl.: „Polygrün-Klettermatte“) Foto: Gera, 2007 von Sven Taraba


Alle Wisterien wachsen stark schlingend. Daraus resultiert Deformation und Auslenkung von bewachsenen Profilen geringer Steifigkeit, die häufig zu unkalkulierbaren Spannungen, bzw. Lastverteilungen an und in Kletterhilfen führen. (Vgl. „Fassadenbegrünung – Lasten & Kräfte“ und „Vorträge“ – beides erreichen Sie über die Biotekt-Startseite oder über die „Biotekt-Fotomap“.

Bei Vernachlässigung von Schnittmaßnahmen am Blauregen treten auch bei größeren Wandabständen durch rückseitige Austriebe häufig Zwängungen zwischen Kletterhilfe und Fassade auf, die z.B. bei WDVS zwangsläufig zu Durchscheuerungen oder Rissbildung führen.

Bei Vernachlässigung von Schnittmaßnahmen am Blauregen treten auch bei größeren Wandabständen durch rückseitige Austriebe häufig Zwängungen zwischen Kletterhilfe und Fassade auf, die z.B. bei WDVS zwangsläufig zu Durchscheuerungen oder Rissbildung führen.

Mittels ausreichend biegesteifer Vertikalprofile, die stark schlingende Pflanzen nur in unkritischen Maßen spiralig verformen und an denen sich Einzeltriebe daher auch seltener selbst abwürgen (Phänomen der „Selbsterdrosselung“), lassen sich auch für Wisteria sinensis sehr sichere Kletterhilfen realisieren. Dazu ist auch ausreichender Wandabstand zwingend notwendig. Dabei muss man (siehe Bild rechts) auch berücksichtigen, dass er nicht nur Raum für einen ggf. kräftigen Leittrieb bieten muss, sondern dass auch ein rückwärtiger Austrieb etwas Platz haben sollte damit er – ehe Zwängungen auftreten – entfernt werden kann. Angemessene Verstrebung und Befestigung einer Kletterhilfe aus hinlänglich steifem Material, ausreichender Wandabstand und rechtzeitige Schnitte die dickenwuchsbedingte Deformationen von Kletterhilfe und/oder Fassade unterbinden werden, sind unverzichtbare Voraussetzungen für den Erfolg einer Fassadenbegrünung mit Blauregen. Der (durchaus überschaubare) Aufwand lässt allerdings auch ein phantastisches Ergebnis erwarten. Die Entfaltung der ganzen Pracht einer Wisteria sinensis setzt also entsprechend der gewünschten Höhe eine freie (auch fugenlose) Fassade, eine hochwertige, ausreichend steife Kletterhilfe und eine gewisse Pflege voraus. Pflanzstellen, die nicht ausreichend zum Bewuchs mit Wisteria vorbereitet sind, führen oft in solchem Maße zu Pflegeaufwand, dass dessen Kosten unangemessen hoch werden. Mitunter (siehe z.B. Rathaus Bad Honnef, Pressemitteilung der Stadt und Kommentar meinerseits) übersteigen die jährlichen Kosten für Schnittmaßnahmen bald jene Summe, die sich an geeigneten Kletterhilfen sparen lässt. Unterlassungen bei den Pflanzvorbereitungen machen sich also keinesfalls bezahlt. Scheinbar kostenlose oder billige Kletterhilfen verteuern längerfristig jede Verwendung von Gerüstkletterpflanzen – bei Wisteria sinensis ist die absehbare Explosion des Aufwandes für Pflege und Erhalt durch angeblich „billige“ Kletterhilfen besonders relevant.

Blauregen entsprießt einer Fuge

Blauregen entsprießt einer Fuge

Der im Vergleich zu anderen hier gebräuchlichen Kletterpflanzen extreme Triebdurchmesser erfordert bei Wandbegrünungen entsprechende Wandabstände von Kletterhilfen vor allem in der Nähe zur Pflanzstelle. Wir empfehlen daher für den späteren „Stammbereich“ provisorische Kletterhilfen oder nachträglich lösliche Wandbefestigungen. Zum Phototropismus: Blauregen – hier Wisteria sinensis und W. floribunda bilden (scheinbar bevorzugt am alten Holz und in der zweiten Hälfte der Vegetationsperiode) lichtfliehende Triebe, die in dunklen Bereichen annähernd ohne zu Winden kräftig aufwärts streben. Sie tun dies gleichermaßen im Schatten ihres eigenen Laub- und Astwerks, wie in Vertikalfugen oder hinter Verkleidungen, Dacheindeckungen oder ähnlichem. Auch aufgrund Wüchsigkeit und Dickenwuchsen sollte deshalb der chinesische Blauregen nicht vor diesbezüglich sensiblen Fassaden vorgesehen werden – keinesfalls vor Bekleidungen mit offenen Fugen.

Schlanker Stamm von Wisteria sinensis (Chinesischer Blauregen)

Schlanker Stamm von Wisteria sinensis (Chinesischer Blauregen)

Zu den anderen Wisteria-Arten kann ich hinsichtlich dieser Fragen keine Angaben machen. Da jedoch erfahrungsgemäß ­- auch unter dafür begrünungstechnisch eher ungünstigen Voraussetzungen ­- auf die Verwendung von Wisteria sinensis zur Fassadenbegrünung in der Praxis nicht verzichtet werden wird, rate ich zur Realisierung größtmöglicher Wandabstände – 10 cm Wandabstand sind in diesem Fall nur ein schlechter Witz! Ein empfehlenswerter Wandabstand für Wisteria sinensis beginnt– Pflege und Kontrolle vorausgesetzt – bei 160 mm. Für die anderen Wisteria-Arten können 120 mm als evtl. vertretbarer Mindestabstand gelten. Das voranstehende Bild „Schlanker Stamm…“ zeigt eine Wisteria in Zülpich (NRW) und entstand etwa 1987. Der seinerzeit sehr gerade, senkrechte Stamm hat sich – trotz erheblichem Dickenwuchs inzwischen seitlich geneigt, obwohl die Größe der Pflanze aktuell aufgrund Rückschnitten eher geringer ist als vor 20 Jahren. Dies belegt, dass selbst eine ungewöhnlich gerade Stammausbildung weder von Dauer sein muss, noch dass man ihr eine bleibende stützende Funktion zuschreiben darf. Nachfolgende Fotos zeigen die Pflanze im August 2007.

Gesamtansicht der Fassadenbegrünung an der Apotheke mit Blauregen (Wisteria sinensis)

Gesamtansicht der Fassadenbegrünung an der Apotheke mit Blauregen (Wisteria sinensis)

Der vormals gerade, runde Stamm dieser Wisteria sinensis hat eine asymmetrische Form entwickelt und kippt seitlich.

Der vormals gerade, runde Stamm dieser Wisteria sinensis hat eine asymmetrische Form entwickelt und kippt seitlich.

Der Blauregen hängt teilweise an Geländern, deren Befestigung stellenweise aufgrund Dickenwuchs unter erheblicher Spannung steht.

Der Blauregen hängt teilweise an Geländern, deren Befestigung stellenweise aufgrund Dickenwuchs unter erheblicher Spannung steht.

Immer wieder wird empfohlen Wisteria „einfach“ als sog. Hochstamm zu erziehen. Häufig wird dabei der Eindruck vermittelt, dass man so nach einigen Jahren einen zuverlässig baumähnlich stehenden Blauregen produzieren würde. Das ist allerdings nur eingeschränkt der Fall und in der Praxis dominieren Ergebnisse wie links abgebildet. Wisterien-Hochstämme brauchen eine standfeste Stütze und vor allem regelmäßigen und kompetent ausgeführten Schnitt, auch wenn sie – eher bonsaimäßig – sehr klein gehalten werden. Wie voranstehend anhand des älteren, wandgebunden wachsenden Blauregen gezeigt, stellt sich auch bei Wisterien meist keine verlässliche „Baumstatik“ ein. Das biegeweiche und oft doch spiralig gewachsene Holz verhindert also auch bei Hochstämmen kein Kippen. Wir empfehlen, für jeden Blauregen-Hochstammm schon vor Pflanzung eine unverwüstlicheund horizontal hoch belastbare Stütze vorzusehen.

Blauregen (Wisteria sinensis) "freistehend" an Gartenleuchte

Blauregen (Wisteria sinensis) „freistehend“ an Gartenleuchte

Eine gewisse Entlastung beim Unterhalten einer Fassadenbegrünung mit Blauregen (Glyzinie) hinsichtlich Flächenbedarf, Konstruktionsaufwand und/oder notwendiger Intensität der Schnittmaßnahmen ergibt sich durch Verwendung der schwachwüchsigeren Wisteria-Arten und -Sorten. Wisteria floribunda kommt auch für die Mehrheit größerer Fassadenbegrünungen als Alternative in Frage und lässt obendrein alljährlich noch eindrucksvollere Blüten als Wisteria-sinensis erwarten. Die Lebenserwartung der Wisteria-Arten beträgt über 100 Jahre, eventuell wesentlich mehr. Es wird mehrfach von Blauregen Exemplaren berichtet, die mehrere Jahrhunterte überstanden haben – die älteste Wisteria soll etwa 1200 Jahre alt sein und in Japan stehen.